Bau der Siedlung

Der Bau von 136 und danach weiteren 84 Häusern erfolgte ab 1933 in mehreren Bauabschnitten (s. auch die Abb. Luftaufnahme-während-des-Baus).

Die Haustypen waren vorgegeben, die Grundrisse wurden von einem Ingenieurbüro in Hamburg erstellt und von der dortigen Baubehörde genehmigt.

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Der Bau erfolgte gemeinschaftlich (mit einigen normal bezahlten Facharbeitern), die fertigen Häuser wurden im ersten Bauabschnitt unter den Siedlern verlost (s. Abb. Die-Verlosung). 1936 war auch ein Schulgebäude fertiggestellt (vorher wurde Unterricht im nahegelegenen Gut Stellmoor gegeben), das im Wesentlichen von Hamburg finanziert wurde.

Für die Arbeit während des Baus - die Siedler hatten als Eigenleistung 350 Arbeitstage abzuleisten - erhielten sie eine RM / Tag zu ihrer Erwerbslosenunterstützung (entsprechend dem soldatischen Wehrsold; dies war der Maßstab für eine Reihe der damaligen und im Kontext vergleichbaren Organisationen, wie z.B. dem Reichsarbeitsdienst).

Ein Teil der angehenden Siedler hielt die schwere und ungewohnte Arbeit (und den weiten und oft täglichen Weg aus Hamburg per Fahrrad) nicht durch und wurde ausgetauscht (s. Abb. Wechsel-der-Siedlerschaft). Allerdings konnten (und mussten - sofern sie wieder entlohnte Arbeit hatten) für die Siedlungsarbeit Ersatzleute gestellt werden, und denen die eine RM gegeben werden. Auch später gab es eine Reihe von Änderungen, bis sich die Einwohnerschaft stabilisierte.

Beginn der Arbeiten und Einweihung

Das Gelände wurde vom Reichsarbeitsdienst grob vorbereitet (z.B. Bäume gefällt und eine Feldbahn verlegt); der offizielle Beginn der Arbeiten war der 10.12.1933.

Die Nationalsozialisten waren 1933 in Hamburg stärkste Partei geworden. Ein Projekt, wie der Bau einer Arbeitslosensiedlung im besprochenen Rahmen war geeignet, Tatkraft zu zeigen, und war propagandistisch gut darstellbar. Insofern kamen zur Eröffnung beziehungsweise ‘dem ersten Spatenstich‘ Gauleiter, Stahlhelmführer, der damalige Baudirektor Hamburgs und Graf Schimmelmann (auch er ein 'Stahlhelm-Kamerad') nebst vielen Uniformierten sowie Kameraleuten und Fotografen zusammen. Es war eine sorgfältig vorbereitete und inszenierte Veranstaltung, die propagandistisch ausgewertet wurde. Man wusste um die Kraft der Bilder …

Erster Spatenstich

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Man beachte im Hintergrund die Reihe der Teilnehmer: überwiegend Uniformierte, vielleicht einige Siedler. Die Person hinter Köster (2) hat vor sich wohl ein Stativ stehen (dann für Filmaufnahmen).

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Diese beiden Bilder stammen aus einem privaten Fotoalbum, die Bildunterschriften bedürfen der Erläuterung: 'Pressentin' war Stahlhelmführer in Hamburg. Einen NS-'Gauführer Lauenstein' gab es nicht, vielleicht ist der Gauführer Kaufmann abgebildet, die führende Kraft in der NS-Zeit in Hamburg. Der 'Baudirektor Köster' hat in Hamburg den bekannten Stadtarchitekten Schuhmacher abgelöst. Der wurde in den Ruhestand geschickt, fand danach allerdings Förderung durch Hitler selbst. Köster war bekannt dafür, NS-Bauprojekte in Hamburg zu fördern. Die Rolle 'Graf Schimmelmanns' ist schon in Schimmelmann beschrieben worden

Folgend zwei Propagandabilder (aus einer Zeitung und einem privaten Album), 'Siedler' waren das nicht …

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Die reale Arbeit bestand aus Roden, Stubben ausgraben, Fundamente schütten, Material transportieren usw.

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Dies waren keine Siedler, die Arbeit wurde von einem spezialisierten Brunnenbauer ausgeführt.

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Die Gesichter der Arbeiter sind zum Teil durch die schwere Arbeit 'gezeichnet'. Man kann hier mit den Gesichtszüge der kleinen Statuette an der Schule vergleichen (s. Abb. ‘Statuette-1’). Selbst manche Körperhaltung stimmt überein …

Abb. ‘Richtfest 1’ zeigt ein Haus während des Richtfestes. Die davor stehende Personengruppe lässt sich nach Haltung und Aussehen wohl in Facharbeiter und Siedler unterscheiden.

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Die Abb. ‘Brauner_Hirsch-im-Bau’ zeigt eine Reihe von Häusern am Braunen Hirsch mit den Richtfestkronen und der damaligen offiziellen Beflaggung. Stramm völkisch ausgerichtet war das Unternehmen schon.

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In Abb. Feiernde-1 und -2 jeweils die gleiche Dame im Mittelpunkt? Auch der Herr ganz links kommt bekannt vor.

Die Siedlung steht

Zu Beginn waren die Grundstücke nur halbwegs geräumt und geebnet, aber die Häuser waren immerhin fertig gebaut.

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Den Annalen nach war die Entwässerung des Geländes unzureichend, sodass weitere Gräben gezogen werden mussten. Danach wurden alle Einwohner und die Uniformierten für ein Gruppenfoto zusammen gerufen.

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Man beachte, dass im oberen Teilbild einmal Uniformierte beim Graben zu sehen sind …

Die folgende Luftaufnahme stammt aus der Zeit des Baus der Siedlung - wohl aus 1936. Sie kommt aus dem hamburgischen Staatsarchiv, sie wurde vermutlich von der damaligen Landesbildstelle in Auftrag gegeben. Im Vordergrund sind die Fundamente von weiteren Siedlerhäusern (des 3. Bauabschnitts) zu erkennen. Die Häuser der ersten Bauabschnitte sind schon fertiggestellt - an der Schule wird noch gearbeitet. Größerer Bewuchs fehlt, nur am Braunen Hirschen, dem Dänenweg und an den Rändern der Siedlung sind (noch) Bäume vorhanden.

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Die Häuser des ersten Bauabschnitts wurden verlost.

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Ein zweites Bild dieses Ereignisses findet sich in den Anlagen.

Wie oben beschrieben, hielt eine Reihe von Siedlern die anstrengende Arbeit nicht durch und wurde durch andere Anwärter ersetzt. Aber auch nach dem Bau der Siedlung erfolgte durch Tausch der Häuser oder Verlassen der Siedlung ein Wechsel der Einwohner. Hier eine entsprechende Karte aus 1935.

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Wann die folgende Liste entstanden ist, ist nicht bekannt. Vermutlich nach dem obigen Plan, wenn man einzelne Adressen vergleicht.

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Die administrativen Geschäfte in der Siedlung wurden von sogenannten Siedlungsführern wahrgenommen (in der obigen Karte 'Wechsel der Siedlerschaft-1' hat ein Siedlungsführer unterschrieben). Auch hier war ein steter Wechsel zu verzeichnen: Vermutlich waren über zehn Personen in dieser Funktion tätig. Mindestens zwei wurden wegen Unterschlagungen und Ähnlichem verurteilt. Die Randbedingungen des Baus zogen halt nicht nur qualifiziertes Personal an.

Die angestrebte Selbstversorgung der Siedler auf den rd. 2.500 qm großen Grundstücken war zunächst nur in begrenztem Umfang möglich — der Boden war zu schlecht und die Siedler kannten sich noch nicht aus (es gab allerdings Kurse für Siedlerfrauen in 'Planten un Blomen'). Die vielerorts als ‘gestellt’ genannte Ausstattung der Siedler mit Kleinvieh und Obstbäumen usw. musste von ihnen im Übrigen auch bezahlt werden.

Eine Kanalisation gab es nicht. Außerdem wurde zu Beginn der Erschließung des Geländes (also nach der Rodung und teilweisen Auffüllung des Geländes) versäumt, für einen ausreichenden Wasserabfluss vom Gelände zu sorgen. Als Folge liefen in 1935 - einem niederschlagsreichen Jahr - alle Keller voll. Der Überlieferung nach zog der Reichsarbeitsdienst nachträglich Drainagegräben. Allerdings war eine Leistung des Reichsarbeitsdienstes von vornherein in den Kosten für eine Siedlerstelle enthalten - man hatte diese Arbeiten insofern zunächst nicht ausgeführt.

Die Wasserversorgung erfolgte aus - nach heutigem Maßstab - Flachbrunnen, die in trockenen Sommern auch trocken fielen. Der Bau einer Wasserleitung erfolgte erst 1955. Eine Gasleitung wurde schon 1953 gelegt.

Der Weg nach Ahrensburg war zunächst ein Feldweg; jedenfalls so schlecht ausgebaut, dass er zeitweilig unpassierbar war. Eine Busverbindung gab es ab 1955, zuerst allerdings nach Volksdorf, dann nach Ahrensburg. Nach Beschwerden der VHH, dass die von ihnen eingesetzten Busse zu häufig defekt würden, erfolgte 1957 der Ausbau der Hagener Allee.

Das Verhältnis zu Ahrensburg war längere Zeit vermutlich gar keines. Die Siedlung wurde von Hamburgern für Hamburger mit hamburgischem Geld 'hinter dem Wald' gebaut. Bau- und anderes Material kam nicht aus oder durch Ahrensburg. Eine Integration mit Ahrensburg wurde nicht aktiv verfolgt. In der ersten Phase der Siedlungsentwicklung waren die Siedler mit sich selbst beschäftigt. Während des Krieges gab es dann andere Probleme. Nach dem Krieg wurde zwar der Wiederaufbau betrieben, allerdings waren auch in Ahrensburg die Kassen leer. Erst nach Ansiedlung verschiedener Industriebetriebe kam 'Geld ins Haus' und der Ausbau der Infrastruktur wurde möglich. Die Bewohner der Siedlung hatten zunächst auch eher Arbeit in Hamburg und nicht in Ahrensburg gesucht.

Es war hier das Verdienst des Vertreters der Siedlung in der Stadtverordnetenversammlung Jonny Loesch, von 1946-1973 sowohl das Sprachrohr für die Bedürfnisse der Menschen in der Siedlung wie auch der Motor zur Durchsetzung von nötigen Maßnahmen zu sein.

Fazit

Man muss den Bau dieser und anderer Siedlungen aus der damaligen Zeit heraus verstehen. Für die Siedler war der Aufbau und der Erwerb eines eigenen Hauses auf eigenem Grund und Boden eine Riesenchance. In Hinsicht vielleicht die Erfüllung eines Traumes, jedenfalls die Möglichkeit, aus der Arbeitslosigkeit und aus den beengten Verhältnissen der Stadt herauszukommen.

Dass der Bau und die erste Entwicklungszeit mit den beschriebenen Härten verbunden waren, war gewollt - man sollte hier deshalb nichts 'überhöhen'. Es hat eine Generation gebraucht, um aus den schwierigen Verhältnissen herauszukommen. Allerdings kam auch der Krieg 'dazwischen' und unterbrach die Entwicklung.

Was hätte man besser machen können? Aus meiner Sicht - natürlich ganz subjektiv - hätte man viel gewonnen, wenn von Anfang an die Gemeinde Ahrensburg besser einbezogen worden wäre. Und es hätte vieles erleichtert, wenn von Anfang an die Straßenverbindung nach Ahrensburg ausgebaut worden wäre. Das hätte den Austausch zwischen den Ortsteilen verbessert und auch den Bau der Siedlung beschleunigt.