Aktivitäten der Siedler

Es gibt wenige Fotos aus der Zeit zwischen Fertigstellung der Siedlung und Kriegsende beziehungsweise noch einige Jahre danach. Ausnahmen sind z.B. die folgende Abb. 'Ernennung-zur-Feuerwehrfrau …', das zeigt, wie ein smarter Uniformierter einer schon behelmten Siedlerfrau eine Feuerlösch-Handpumpe und das zugehörige Handbuch(?) überreicht. Dazu die Gruppenaufnahme der ganzen Feuerwehrbrigade.

Ernennung-zur-Feuerwehrfrau-und-Gruppenbild-der-FeuerwehrbrigadeFeuerwehrfrauen-1.jpg

Es ist insofern schwierig, die Aktivitäten der Siedler in den Anfangszeiten der Siedlung visuell darzustellen. Deshalb folgend die Erinnerungen von zwei Zeitzeuginnen, die damals Siedlerkinder waren. Es sind Erinnerungen an die alte Zeit und sie stammen aus Zeitungsartikeln. Sie weichen deshalb in Details naturgemäß ein wenig von dem ab, was die überlieferten Dokumente hergeben.

Liselotte Junker

(Teile aus dem Hamburger Abendblatt, Schwen, 08.07.2022)

Liselotte Junker hat die Szenerie noch genau vor Augen. „Ich, wie ich als Siebenjährige stolz beim Festumzug mitlaufe und als ,Große‘ ein jüngeres Mädchen an die Hand nehmen darf“, erinnert sich die Ahrensburgerin, während sie auf ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt. 70 Jahre ist die Aufnahme mittlerweile alt. Und genauso lange ist Liselotte Junker schon Mitglied im SSC Hagen. Am 1. Oktober 1952 ist die heute 76-Jährige eingetreten. Fünf Jahre zuvor, am 12. März 1947, war der Verein als „Spiel Sport Club Hagen Ahrensburg“ gegründet worden. In diesem Jahr feiert er sein 75-jähriges Bestehen.

„Meine Geschwister waren schon dabei, und so haben meine Eltern mich dann auch angemeldet, als ich alt genug war“, erzählt Junker. Ohnehin sei damals eigentlich jeder in der Nachbarschaft Mitglied im SSC Hagen gewesen. „Es war kurz nach dem Krieg, wir hatten nicht viel“, sagt die Ahrensburgerin.

Seit 1935 lebten Junkers Eltern in der Siedlung, die 1933 errichtet worden war und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs noch nach dem nationalsozialistischen Reichsarbeitsminister Franz-Seldte-Siedlung hieß. Die Familie Junker erwarb eines der neuen Häuser am Dänenweg und gehörte zu den ersten Bewohnern des neuen Quartiers. Liselotte Junker war die jüngste von sechs Geschwistern.

„Wir haben in einfachen Verhältnissen gelebt“, sagt sie. Fernsehen und Radio seien damals etwas für Reiche gewesen. „Unser Wasser haben wir die ersten Jahre noch von der Pumpe an der Straße geholt“, erinnert die 76-Jährige sich.

Und so sei es wenig verwunderlich gewesen, dass der SSC von Beginn an eine zentrale Rolle im Leben der Siedler eingenommen habe.„Es hat sich jeder beteiligt“, sagt Junker über die Anfangsjahre. „Ein bis zweimal in der Woche ging man nach der Schule zum Sportverein“, erzählt Junker. „Wir haben zu Beginn vor allem Ball- und Bewegungsspiele gemacht“, erinnert sich die 76-Jährige. Schon bald seien Turnen und Leichtathletik dazugekommen. Mangels einer eigenen Anlage wurde in den ersten Jahren auf dem Pausenhof der Grundschule Am Hagen geturnt. „Barren, Bock und Kästen wurden bei gutem Wetter aus der Turnhalle rausgeschoben“, erzählt Liselotte Junker. Gelaufen worden sei auf der Straße. „Damals waren das alles noch Sandwege. Autos gab es kaum“, sagt die Ahrensburgerin. Erst im September 1975, der Verein war inzwischen deutlich angewachsen, bekam sein eigenes Gelände an der Hagener Allee, wo der Verein bis heute residiert. Dort entstand zunächst eine Mehrzweckhalle. „Ich kann mich noch genau erinnern, dass ich damals zur Einweihung ein Fußballspiel der Kinder gepfiffen habe“, sagt Liselotte Junker schmunzelnd. 1986 kam in direkter Nachbarschaft die Tennis-Anlage dazu.

Höhepunkt des Vereinslebens und des Lebens in der Siedlung insgesamt seien immer die Sportfeste gewesen, sagt Junker. „Die ganze Nachbarschaft kam dann auf dem Schulhof zusammen, und wir Kinder konnten zeigen, was wir geübt hatten.“ Auch zu anderen Anlässen habe der Sportverein Feierlichkeiten organisiert, etwa einmal im Jahr einen Laternenumzug und einen großen Festumzug zum Erntedank. „Dieses Gemeinschaftsgefühl war ganz zentral für die Entwicklung der Siedlung“, sagt Junker rückblickend.

Als Jugendliche in den 1950er-Jahren engagiert sich Liselotte Junker als Helferin bei verschiedenen Veranstaltungen des Vereins. „Ich habe die Kleinen beaufsichtigt und war Punktrichterin bei den Sportfesten“, erzählt sie. „Ich bin im Verein groß geworden.“ Und auch als Erwachsene, als viele Klassenkameraden und ihre Geschwister Ahrensburg aus beruflichen Gründen oder der Liebe wegen den Rücken kehren, bleibt Junker dem SSC Hagen treu. Ab 1968 ist sie mit Sohn Ole beim Mutter-Kind-Turnen dabei. Mitte der 1970er-Jahre entdeckt Liselotte Junker dann ihre Liebe zum Tischtennis.

„Ich war immer ballaffin“, sagt Junker. Mehr als 25 Jahre steht sie an der Platte, ehe sie den Schläger in den 1990er-Jahren an den Nagel hängt. „Die Auswärtsspiele ließen sich einfach nicht mehr mit der Arbeit unter einen Hut bringen“, sagt die gelernte Einzelhandelskauffrau, die Ahrensburg als Angestellte beim Kaufhaus Nessler auch beruflich stets verhaftet geblieben ist.

Die Folgejahre tritt Junker sportlich kürzer, 2004 dann, Liselotte Junker ist frisch im Ruhestand, folgt das sportliche Comeback. Gemeinsam mit ihrem Mann Lino wagt sich die Ahrensburgerin noch einmal an eine neue Sportart heran: Tennis. Mit 60 Jahren nimmt das Paar Tennisunterricht. Mehr als zehn Jahre stehen Liselotte und Lino Junker gemeinsam auf dem Platz. „Irgendwann machte mein Knie dann nicht mehr mit“, sagt die 76-Jährige. Und so beschränkt sich Junker inzwischen auf die Seniorengymnastik.

Mehr als 1500 Mitglieder zählt der SSC heute, verfügt mit Fußball, Volleyball, Turnen, Leichtathletik, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Tanzen und Sport für alle über neun Sparten und zieht auch über die Siedlung Am Hagen hinaus Sportbegeisterte an. Für Liselotte Junker bleibt der SSC Hagen vor allem eines: „Ein Stück Heimat“.

Liselotte Junker braucht nur einen Blick auf die für eine Fotoschau gesammelten Bilder zu werfen, und sofort kommen die Erinnerungen zurück. "Das da ist mein Vater", sagt die ehemalige kaufmännische Angestellte. Sie deutet auf einen hochgewachsenen Mann mit Hut, der zusammen mit anderen Arbeitslosen Ende 1934 den Dachfirst eines der Siedlerhäuser am Dänenweg in Ahrensburg zimmert.

Ihrem Vater, ein Hammerschmied aus Babenhausen, ging es Anfang der Dreißigerjahre so mies wie seinen späteren Siedlerkollegen. Liselotte Junker: "Er war schon seit vor 1931, dem Jahr seiner Heirat mit meiner Mutter Frieda, ohne Stelle. Es war ja die Zeit der Massenarbeitslosigkeit. Sie lebten in einer Kellerwohnung an der Kieler Straße in Hamburg. Von sechs Reichsmark Stütze pro Woche mussten sie Miete bezahlen und die ersten beiden ihrer späteren sechs Kinder ernähren."

Wohl über Freunde, so wie die meisten der 136 Erstsiedler, hatten ihre Eltern von einer Initiative des Hamburger Senates gehört. 1933 wurde südlich des Forsts Hagen 64 Hektar Land gekauft. Träger und Organisator der Siedlung wurde der "Stahlhelm", ein deutschnationaler Verband ehemaliger Frontsoldaten. Liselotte Junker: "Dort hat Vater sich beworben."

Geld hatte er nicht, aber seine Arbeitskraft. "Jeder, der hier ein Haus wollte, musste 350 Tage auf den Baustellen oder auch bei der Anlage der Straßen mitarbeiten. Dafür erhielt er eine Reichsmark täglich, zusätzlich zur Arbeitslosenunterstützung." Den Rest des Kaufpreises für die winzigen Bauten (sie maßen nur 60 Quadratmeter Nutzfläche und kosteten dann 5200 Reichsmark inklusive rund 2500 Quadratmeter Grund) stotterten die Siedler dann in Monatsraten von 20 oder 25 Mark ab.

Im Herbst 1934 waren die ersten Häuser bezugsfertig. Das Besondere an der Siedlung: Sie machte wegen der großen Grundstücke landwirtschaftlichen Nebenerwerb möglich. Liselotte Junker: "Wir hatten Schweine, Schafe, Hühner - und ich war die Gänseliesel. Meine Eltern haben sich gleich wohlgefühlt." Trotz der unvorstellbar primitiven Zustände: "Eine Wasserleitung bekamen wir erst 1955. Als Kinder haben wir immer an der Pumpe getrunken." Gefroren haben die ersten Siedler wie die Schneider: "Wir hatten anfangs nur einen Kohleherd in der Wohnküche. Nur wer Geld hatte, kaufte sich einen Wohnzimmerofen dazu."

Es sind nicht mehr viele der Ursprungsfamilien übrig. "1936 lebten hier 800 Menschen. Heute sind es rund 2000, denn viele Grundstücke wurden geteilt und verkauft."

Die Häuser gibt es immer noch - und die Siedlung feiert jetzt ihr 75-jähriges Bestehen. Zu den Organisatoren des großen Stadtteilfestes am 5. Juli gehört Liselotte Junker (62) aus dem Dänenweg, die zweite Vorsitzende der Bürgergemeinschaft Am Hagen (117 Mitglieder).

Erika Schallock

Teile aus Hamburger Abendblatt, Ulrike Schwalm, 14.08.2003

Erika Schallock (79) braucht nur ihre historischen Fotos zu betrachten, "Beim Richtfest der Schule am Dänenweg war ich noch nicht dabei. Aber ab August 1936 besuchte ich das neue Gebäude. Vorher hatten wir Neusiedlerkinder Unterricht in einer Wirtschaftsküche auf Gut Stellmoor", erzählt die Ahrensburgerin.

Für ihren Vater Adolf Weber, der in Hamburg-Eimsbüttel eine Gastwirtschaft betrieben hatte ("Die musste er wegen der Nazis aufgeben"), und für viele andere, die wegen der Weltwirtschaftskrise arbeitslos waren, bedeutete die neue Siedlung ein Stück Hoffnung.

1933 hatte der Reichsverband der Kleingärtner im Auftrag des Hamburger Senats vom Grafen Carl-Otto von Schimmelmann 64 Hektar Land im Hagen erworben. Träger der Siedlung wurde der "Stahlhelm", ein Bund ehemaliger Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs. Beim ersten Spatenstich am 10. Dezember 1933 erhielt die Siedlung den Namen "Franz Seldte-Siedlung" ("Stahlhelm"-Gründer und Reichsarbeitsminister bis 1945).

"125 Doppelhäuser waren anfangs vorgesehen - heute sind es 720 Haushalte", sagt Erika Schallock. Die neue Bleibe kostete pro Haushälfte 4800 Reichsmark, mit Dachgeschossausbau 5200 Reichsmark. Die Schule war auch der Ort, an dem die Siedler einmal im Monat 20 bis 25 Reichsmark der Hypothek abstotterten - in bar.

Der Hagen war als so genannte Autarkiesiedlung konzipiert worden. Jede Familie sollte vom Ertrag des Bodens leben können. Deshalb gab es vier Obstbäume gratis, dazu sechs Hühner und ein Schwein pro Familie. Die Grundstücke bekamen die meist arbeitslosen Siedler gegen eine Muskelhypothek: Sie verpflichteten sich, 350 Stunden beim Bau zu helfen. Als Motto galt der "Stahlhelm"-Spruch: "Kamerad, reich mir die Hände." Für diese Arbeit erhielt jeder Siedler eine Reichsmark pro Tag zusätzlich zum Arbeitslosengeld.

Zum Vergleich: 1933 betrug der durchschnittliche Stundenlohn eines Facharbeiters 78,5 Reichspfennig in der Stunde. "Vater musste jeden Morgen von Eimsbüttel in den Hagen fahren", sagt Erika Schallock.

Seit 1935 lebt sie im Erikaweg, heute mit ihrer Schwester Ingeborg Merz (71) und ihrem Bruder Klaus Weber (68). "Der Andrang auf die Siedlung war riesengroß", erzählt sie. "Deshalb wurden die Grundstücke ab September 1934 in mehreren Verlosungen an die Familien gebracht. Wir sollten erst ein Haus im Grünen Weg erhalten, aber das soff ab. So zogen wir in den Erikaweg."

Die kleine Erika war anfangs nicht gerade begeistert von der Siedlung. "Der Reichsarbeitsdienst hatte nur die großen Fällungen erledigt. Wir mussten Steine sammeln, Stubben roden, Sand karren. Bis 1955 gab es keinen Anschluss ans Wassernetz, nur Pumpen. Anfangs hatten wir auch keine Elektrizität, sondern Petroleumlampen. Erst 1936 kam ein Stromanschluss." Und Telefon war ein Traum: "Bei der Familie Vogt im Franz-Seldte-Weg, dem heutigen Dänenweg, gab es eins. Denn dort war die Nothilfestation. Da gingen wir hin, wenn jemand eine Hebamme oder einen Arzt brauchte."

Erst 1941 erhielt Erika Schallock selbst einen Anschluss. "Ich wurde nämlich Posthalterin in der Siedlung und habe dann noch bis 1946 als Zustellerin gearbeitet." Da hatten die Straßen schon neue Namen bekommen. Die alten Fliegerhelden verschwanden. "Aus Richthofenstraße wurde Erikaweg, aus Bölkestraße Sanddornweg, aus Udetweg Jasminstieg." Weg aus der Siedlung wollte Erika Schallock niemals. "Ich mag am Hagen das Grüne, Ruhige, Erdverbundene." Nur die alten Geschäfte vermisst sie manchmal, zum Beispiel den Krämer Schäffer im Dänenweg.

Das folgende Bild ist wohl nach dem Krieg entstanden. Erst dann gab es (wieder) Maschendraht, auch die höher gewachsenen Hecken und Bäume sind dafür ein Indiz.

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Die Wege waren weiterhin unbefestigt und man 'weidete' noch sein Geflügel.

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Siedlergemeinschaft

Es folgen Aufnahmen aus dem 'Kassabuch' der ‘Siedlergemeinschaft Ahrensburg am Hagen, im Deutschen Siedlerbund e.V., Gaugruppe Schleswig-Holstein', wie aus dem Stempel der ersten Umschlagseite hervorgeht (das Exemplar befindet sich im Stadtarchiv Ahrensburgs; ich habe dankenswerter Weise Seiten fotografieren dürfen).

Es ist 1937 mit der Seite 1 begonnen worden und zeigt zunächst die überschaubaren Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft.

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Die Beträge ändern sich über die Jahre wenig. Natürlich die Handschriften - irgendwann haben die Frauen das Buch geführt.

Interessant ist die Zeit um das Kriegsende herum. Die Monate Januar bis Juni 1945 wurden mit einem Kassenbestand von rd. 950 RM zusammengefasst. Im Juli waren es 494 RM, in anderer Handschrift. Hier bilden sich vermutlich die chaotischen Zustände am Kriegsende ab. Das Buch wurde noch einige Monate weitergeführt, dann wurde es in das Kassenbuch eines Gewerbetreibenden umfunktioniert.

Sparverein

Auch der Sparverein war eine Institution der Siedlung. Das folgende Bild ist ein handbeschriftetes Dia, das im Kino der Siedlung als Terminerinnerung gezeigt wurde.

Handgeschriebenes-Kinodia-zur-Erinnerung-an-Sparclubversammlung80-Sparclub-Versammlung

Das Blatt ist ein Teil der Satzung des Sparvereins (die beiden restlichen Blätter finden sich im Anhang). Harte Regeln, das kann man schon sagen ...

Satzung-des-Sparklubs185-O3310401-0

Notzeiten

Die folgenden Lebensmittelmarken und Bedarfsdeckungsscheine sollen an die Notzeiten der Kriegs- und Nachkriegszeit erinnern.

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